ESG Investments: Chancen und Risiken für Aktien Investoren
Von
Tim Grüger
Geschrieben auf
May 3, 2021
Immer mehr institutionelle Investoren müssen bei ihren Aktien Investments auf ESG Kriterien achten. Was sich dahinter verbirgt und warum das für etablierte Aktien ein Risiko sein kann, erfährst du in diesem Artikel.
Das Thema rund um ESG bekommt auch im Bereich der Anlageentscheidung immer mehr an Bedeutung.Aber was genau ist ESG und wie beeinflusst es Anleger bei ihren Entscheidungen?ESG steht für Enviromental, Social und Governance (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung).Jeder dieser drei Komponenten lässt sich wieder in verschiedene Bereiche unterteilen wie in der nachfolgenden Grafik aus dem the journal of PORTFOLIO management zu erkennen:
Dabei geht es bei der Bewertung nach ESG Kriterien darum wie gut ein Unternehmen in diesen Bereichen agiert. Wenn ein Unternehmen beispielsweise Flüsse verschmutzt, exzessive Waldrodungen vornimmt oder bei der Produktion hohe Emissionswerte vorweist, widerspricht dies den Prinzipien und resultiert in ein schlechteres Rating.Die Idee hinter dem verantwortungsvollen Investieren ist es etwas Gutes zu tun und dabei zu profitieren. Eine bessere ESG Performance soll also für Unternehmen zu geringeren Kapitalkosten, weniger Volatilität und Fällen von Bestechung bzw. Korruption und Betrug führen. Das resultiert laut MSCI in eine geringere Wahrscheinlichkeit von extremen Wertverlusten wovon Investoren wiederum profitieren.Investoren legen ihr Geld laut MSCI für gewöhnlich wegen mindestens einer der drei folgenden Gründe in einem Unternehmen an, das eine gute ESG Perfomance aufweist:
- Einbindung neuer Selektierungsmaßnahmen:
In diesem Fall versuchen Investoren unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien ihr Portfolio profitabler zu gestalten, indem über die Fundamentaldaten hinausgeschaut wird. Es wird als Risikomanagement betrachtet und dient dazu Warnsignale von Unternehmen zu erkennen, um die Investitionen langfristig zu sichern.
- Persönliche Überzeugungen:
In dieser Kategorie befinden sich Investoren, die auf Grund ihrer Überzeugungen bezüglich Ethik, Religion oder beispielsweise der Politik handeln. Es wird demnach nach Widersprüchen zwischen Unternehmensaktivitäten und persönlichen Überzeugungen gesucht. Mögliche Einsatzbereiche dieser Kategorie sind die Waffen-, Tabak- oder auch Alkoholindustrie.
- Positiver Einfluss:
Investoren dieser Kategorie suchen gezielt nach Unternehmen, die einen positiven Einfluss auf oder eine Lösung für Umweltprobleme oder soziale/gesellschaftliche Herausforderungen haben. Eine mögliche Orientierung für Investor dieser Kategorie sind beispielsweise die nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals) der UN. Es geht darum mit der Investition einen Unterschied in der Welt zu machen.
Vorteile und Nachteile der ESG Ratings
Mithilfe dieser Ratings könnten Investoren auf Unternehmen aufmerksam werden, die sich bislang unter dem Radar befinden. Es ermöglicht jenen Unternehmen einen neuen Zugang zu Kapital, was einen Ansporn für ein besseres ESG Rating darstellen kann.Sollten solche Maßnahmen jedoch nur angekündigt, aber nicht umgesetzt werden, könnte es den Unternehmen langfristig negativ ausgelegt werden und sie könnten zukünftig von Investoren gemieden werden.Ein gutes Beispiel für einen geringeren Kapitalzufluss auf Grund von Handlungen, die nicht dem Gedanken des ESG entsprechen, ist Brasilien wie das Wall Street Journal berichtet. Der brasilianische Börsenbetreiber B3 gibt an, dass rund 44% aller Trades ESG als Werkzeug für Risikomanagement nutzen.Zudem haben sich die finanziellen Mittel in ESG-Fonds seit 2016 fast verdoppelt und betragen mittlerweile $40,5 Billionen. Bei einer solchen Entwicklung müssen Unternehmen zukünftig auf wesentliche Mengen Kapital verzichten, wenn sie nicht bereit sind Faktoren bezüglich der Umwelt, Gesellschaft oder auch des Führungsstils zu beachten.Auch die deutsche Börse hat sich in den letzten Jahren zunehmend mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, weswegen 2018 der DAX 50 ESG ins Leben gerufen wurde. Dafür werden alle Unternehmen aus dem HDAX berücksichtig. Der HDAX umfasst laut Quontigo alle Unternehmen des DAX, MDAX und TecDAX. Aus diesem Pool werden dann die Unternehmen genommen, die am liquidesten zu handeln sind und eine entsprechende Marktkapitalisierung aufweisen, jedoch nicht in umstrittenen Geschäftsfeldern tätig sind. Im letzten Schritt ist ein „vergleichsweise“ gutes ESG-Score notwendig, was jedoch nicht weiter definiert wird.Der DAX 50 ESG hat erst neulich ein neues Allzeithoch bei 1157 EUR erreicht, nachdem er nach COVID-19 einbrach.Nachfolgend ein Tageschart vom EU ESG 50 Index via Tradingview:
"Der EURO STOXX 50® ESG Index basiert auf dem EURO STOXX 50® Index, einem der führenden europäischen Benchmarks. Eine Reihe von standardisierten ESG-Ausschluss-Screens, die auf den verantwortungsvollen Richtlinien führender Asset Owner basieren, werden mit dem Ziel angewendet, Reputations- und idiosynkratische Risiken zu reduzieren. Zusätzlich zu den Ausschluss-Screens werden 10 % der Unternehmen mit den niedrigsten ESG-Scores ausgeschlossen und durch Unternehmen mit einem höheren ESG-Score aus demselben ICB Supersector wie die ausgeschlossenen Unternehmen ersetzt."Quelle: Stoxx.comEin gravierendes Problem bleibt jedoch am Ende der ganzen ESG-Diskussion:
Wie kommt das ESG Rating genau zustande?
Sowohl das CFA Institut als auch die ING geben an, dass es bislang kein standardisiertes Verfahren zum Erstellen eines ESG-Ratings gibt. Dies macht es für Unternehmen schwer sich den Kriterien anzupassen, da sie mit ihren Bemühungen in einem Ranking weit oben abschließen können und in einem anderen mit derselben Leistung dennoch unterdurchschnittlichen performen. Im Jahr 2019 verglich Flossbach von Storch die verschiedenen ESG-Ratings miteinander und stellte fest, dass die Resultate teilweise tatsächlich stark voneinander abwichen. Ein Problem ist beispielsweise, wie Nachhaltigkeit definiert ist bzw. wie man es messen kann. Aber wie soll etwas überhaupt gemessen werden, was nicht konkret und einheitlich definiert ist? Das resultiert darin, dass Unternehmen zögerlich agieren, da in Bezug auf Rankings keine klaren Vorgaben existieren und dadurch die Unternehmensvorteil schwerer zu erreichen sind. Die Studie von Flossbach von Storch spricht zudem auch die Genauigkeit eines solchen Ratings an. Es ist fraglich ob die Ratings das Risiko auf Grund von Nachhaltigkeitsaspekten eines Unternehmens darstellen oder den Risikoereignissen lediglich hinterherlaufen. Es wird das Beispiel von Volkswagen angesprochen, die eine Woche bevor der Dieselskandal bekannt wurde mit 91 von 100 bewertet wurden. Das ESG Rating, wie es zurzeit existiert, wird aber auch von anderen Seiten kritisch hinterfragt wie beispielsweise von dem Private Banking Magazin. Am Markt haben sich laut Angaben des Magazins vier US-amerikanische Unternehmen durchgesetzt, die ein Oligopol am Markt der ESG Rating Agenturen bilden. Da Versicherungen, Investmentbanken oder ähnliche Institute oft an Ratings von großen börsennotierten Unternehmen interessiert sind, fokussieren sich die Agenturen auch auf solche. Kleineren Unternehmen, die eventuell im Rating wesentlich besser abschneiden würden, wird dadurch weniger Beachtung geschenkt. Das wichtigste sei ein Umdenken der Investoren, da Rating-Agenturen sich nach diesen richten und dadurch auch verstärkt auf kleinere Unternehmen geachtet werde.
Welche Aufgabe hat die TCFD?
Der Aufgabe für eine vereinheitlichte Berichterstattung im Thema Klima und Umweltschutz hat sich die Expertenkomission TCFD (Task Force on Climate-related Financial Disclosures) angenommen. Die Kommission spricht Empfehlungen aus, wie dies zukünftig am besten gewährleistet werden kann. Die europäische Union hat laut PwC bekannt gegeben, dass eine überarbeitete Version der TCFD-Empfehlungen zukünftig in die CSR-Richtlinien (Corporate Social Responsibility)übernommen werden soll. Dies könnte auch Großinvestoren und Aktionären zugutekommen, die laut PwC schon länger nach einer Vereinheitlichung verlangen. Investoren, die wegen ihrer Pflichten beispielsweise als Treuhänder, vermehrt die Chancen und Risiken in Bezug auf Klimathemen bewerten sollen, würden ebenfalls von einer Vereinheitlichung profitieren. Laut der Internetseite ESGtoday wird Großbritannien das erste Land, dass die Empfehlungen der TCFD umsetzen wird. Ziel ist es diese bis 2025 verpflichtend für Unternehmen zu machen, jedoch bis 2023 schon einen Großteil einzubinden. Dieser Schritt wird gemacht, um die Berichterstattung beständig und einheitlich zu gestalten. In einem Report veröffentlichte PwC, dass der Sektor ESG, der zurzeit am schnellsten wachsende ist. PwC geht davon aus, dass bis 2025 europäische Vermögenswerte im Bereich des ESG zwischen 5,5 und 7,6 EUR Billionen betragen und somit 41% bis 57% aller Vermögenswerte von europäischen Investmentfonds ausmachen.
Bleibt nur noch die Frage, inwieweit das ganze Thema ESG für Privatanleger relevant sein könnte:Generell sollten private Investoren auf die professionellen Investoren achten. Laut Fortune gab Goldman Sachs an, dass der menschliche Faktor beim Investieren nach ESG Kriterien einen Vorteil gegenüber den Algorithmen hat. Thomas Konig rechnet damit, dass sich in Zukunft einiges in diesem Bereich quantifizieren lässt, aber mit Sicherheit nicht alles, wodurch Menschen als Händler wieder mehr in den Vordergrund rücken könnten. Seiner Meinung nach werden dadurch auch aktiv gemanagte Funds wieder mehr an Bedeutung gewinnen.Die Liquidität eines Unternehmens an der Börse hängt davon ab wie hoch das gehandelte Volumen ist. Weniger Liquidität kann zu Kurssprüngen führen, was ein potenzielles Risiko für Privatanleger darstellen kann – besonders im kurzfristigen Zeitraum. Sollten Fonds vermehrt in Unternehmen mit einem hohen ESG Rating investieren, könnte sich die Liquidität am Markt verschieben. Auch könnte ein Wertverfall von Unternehmen mit schlechten ESG-Ratings stattfinden, da sich das Interesse des Marktes neuorientiert.
Fazit:
Die ESG Relevanz sorgt bereits dafür, dass Fondsmanager und auch private Anleger Investmententscheidungen unter anderen Gesichtspunkten treffen, als zuvor.So wissen wir aus Gesprächen mit einem befreundeten Fondsmanager, dass dieser lange Zeit nicht mehr in die Bayer Aktie investieren durfte, da das Thema "Monsanto" die ESG Kriterien negativ beeinflusste.Die Bedeutung der ESG Kriterien kann in den nächsten Jahren also dazu führen, dass globale Transaktionen im großen Stil den ein oder anderen CEO wachrütteln.